Die Platine: Landkarte und Fundament des Uhrwerks | Watchtime.net

2022-07-30 03:56:21 By : Ms. Vanessa Feng

Sie ist das Fundament, auf dem das Uhrwerk ruht: die Platine. Gemeinsam mit ihren Kollegen, den Brücken und Kloben, sorgt sie dafür, dass zusammenhält, was sich dreht, was tickt und schwingt. Verwandt ist auch die Herstellung des soliden Trios.

Anfang und Ende des Uhrwerks, Basis und Abschluss: Die vordere und die hintere Platine umfassen das Werk einer Uhr. Sie sind mehr als bloße Platten – sie sind wie Landkarten, die den Aufbau des Uhrwerks vorgeben. Sie weisen eine komplizierte Struktur auf, welche durch Drehen, Fräsen, Bohren und Gewindeschneiden aufgebracht wird. Mit exakt angebrachten Bohrungen gewähren sie später allen Wellen des Räderwerks sowie Brücken und Kloben dauerhaften und sicheren Halt. Eingepresste Steinlager dienen zur Aufnahme von Zapfen, Ausdrehungen lassen Zahnrädern Platz, verstiftete oder verschraubte Pfeiler fixieren die vordere und die hintere Platine und halten sie auf Abstand. Anzeige

Die Grundplatine ist – obwohl sie das Zifferblatt trägt – aus Sicht des Uhrmachers der untere Teil der Uhr, auf dem alle Komponenten und Mechanismen des Werks aufgebaut werden. Die Montage des Uhrwerks beginnt stets mit der Platine. Sie hat die volle Uhrwerkform und ist in der Regel aus massivem Messing (Kupfer und Zink), manchmal auch aus Neusilber (Kupfer, Nickel und Zink). Dieses Ausgangsmaterial wird meist vernickelt, versilbert, vergoldet oder rhodiniert. Auch Brücken und Kloben bestehen in der Regel aus Messing.

Während die untere Platine die volle Uhrwerkform hat, ist die obere mit Ausschnitten für Unruh und Hemmung versehen. Zum Teil kann sie auch durch einzelne Brücken oder Kloben ersetzt werden. Diese sind die Kollegen der Platine: Brücken dienen als Lagerträger für die Räderwellen des Uhrwerks. Denn bewegliche Teile wie die Triebe des Räderwerks und die Welle der Unruh müssen beidseitig gelagert werden. Die Brücken liegen an beiden Enden auf der Grundplatine auf, sind dort mit Stellstiften und Schrauben fixiert und spannen sich – daher der Name – brückenartig über Platine und Räder. An ihrer Unterseite sind sie ausgefräst und tragen die Lagersteine zur Aufnahme der oberen Zapfen der Räder. In der Regel gibt es vier Brücken für Federhaus, Unruh, Räderwerk und Anker. Allerdings gibt es viele Varianten – zum Beispiel ersetzt die sogenannte Dreiviertelplatine drei Brücken.

Nicht zu verwechseln sind die Brücken mit den Kloben, die nur einseitig auf der Platine aufliegen, meist nur mit einer Schraube befestigt sind und frei über die Werkplatte auskragen. Sie dienen ebenfalls als Lagerträger für die Räderwellen des Werks. Kloben werden vor allem für die Unruhwelle verwendet. Fixiert werden die Brücken und Kloben mit Passstiften auf der Grundplatine. Diese sorgen dafür, dass die Brücken und Kloben nach dem Zerlegen eines Uhrwerkes beim Zusammenbau wieder genauso auf der Grundplatine sitzen wie vorher. Passstifte sind an der Unterseite von Kloben oder Brücken angebracht und passen genau in die entsprechenden Bohrungen der Platine. Damit dies auch tatsächlich der Fall ist, bedarf die Herstellung aller Teile äußerster Präzision. Das gilt vor allem für die Grundplatine, denn mit ihr sind alle Teile des Uhrwerks verbunden.

“Die Werkplatte ist der wichtigste Teil des Uhrwerks”, erläutert uns der Fertigungsleiter bei Glashütte Original entstehen die Platinen wie beschrieben, allerdings in anderen Stückzahlen. Ausgangsmaterial für Platinen sind schlichte Messingbänder, aus denen Ronden ausgestanzt werden. Diese haben einen größeren Durchmesser als die fertige Werkplatte – der Überstand dient als Haltering, damit der Rohling während der weiteren Bearbeitung fixiert werden kann. Denn nun beginnt ein umfangreiches Programm für das Messingplättchen: Zunächst wird es zwischen Schleifscheiben auf Maß geschliffen – diesen Arbeitsgang nennt man auch “läppen”. Ziel ist es, die gewünschte Stärke auf fünf Tausendstel Millimeter zu erreichen sowie absolute Parallelität und Planheit zu schaffen. Vor und nach dem Schleifen wird der Rohling geglüht, damit sich die Spannung abbaut, die durch die Bearbeitung entstanden ist. Außerdem werden die Teile nach jedem Arbeitsschritt – dies gilt auch für die folgenden – im Ultraschallbad penibel gereinigt. Qualitätskontrollen und Prüfung auf korrekte Maße finden ebenfalls ständig statt.

Nach dem Läppen folgt der entscheidende Arbeitsschritt: Jeweils 20 Rohlinge werden in einer Platte in eine CNC-Maschine eingelegt. Zunächst werden auf einer Seite die Fräskonturen und Bohrungen hergestellt, die später zur Aufnahme von Stiften, Lagersteinen oder Rädern dienen. Ist die erste Seite fertig, werden die Platten abgenommen, gründlich geprüft und vermessen. Dann erst werden sie wieder in die Maschine eingelegt, damit die zweite Seite bearbeitet werden kann.

Dabei muss immer wieder das Werkzeug gewechselt werden – eine aufwändige Bearbeitungsprozedur. Insgesamt rund fünf Stunden dauert es immerhin, bis auch eine hochmoderne CNC-Maschine die 20 Platinen bearbeitet hat. Nun benötigt die Werkplatte den Haltering nicht mehr: Der Überstand des Rohlings wird abgedreht und die Platine auf den korrekten Durchmesser gebracht.

Danach gelangt sie auf den Tisch eines Handwerkers: Das Teil wird von Hand unter der Lupe entgratet, das heißt, dass der dünne, scharfe Rand, der bei der Formgebung entsteht, durch Abschleifen beseitigt wird. Zudem werden Späne entfernt, es wird gestrahlt beziehungsweise bremoriert. Diese Technik entspricht dem Sandstrahlen, allerdings wird dabei ein feines Bronzepulver mit Pressluft auf die Platine geblasen. Das Ergebnis: eine glatte, samtige Oberfläche.

So verschönt und perfektioniert beginnt die Montage: Von Hand werden die Lagersteine aus synthetischem Rubin in die vorgebohrten Löcher gelegt und mit Hilfe einer Maschine eingepresst, auch mit den später benötigten Pfeilern und Stiften wird so verfahren. Ab jetzt geht es nur noch um die Optik der Platine: Mit Hilfe einer von Hand geführten Maschine werden Zierschliffe aufgebracht. Bei vielen hochwertigen Kalibern wird die Werkplatte mit einem runden Muster, der Perlage, verziert. Es ist häufig auf der Zifferblattseite der Werkplatine zu finden, ebenso auf dem Ankerkloben sowie unter dem Unruhkloben auf der Räderwerkseite.

Die Dreiviertelplatine und der Unruhkloben tragen den Glashütter Bandschliff, der äußerlich weitgehend den Genfer Streifen entspricht. Auf die Dekoration folgt die Vollendung im galvanischen Bad: Die Teile werden zunächst vernickelt und schließlich rhodiniert. Diese Rhodiumschicht hat nicht nur die optische Verschönerung im Sinn, sondern schützt auch das Messing. Da die aufgebrachten Schichten mit nur einigen Tausendstel Millimetern hauchdünn sind, bleiben die aufwändigen Zierschliffe sichtbar. Jetzt sind Platine, Brücken und Kloben bereit für den Weg zum Uhrmacher: Unter seinen kundigen Händen wird das Halt gebende Trio mit Zahnrädern, Unruh, Federhaus und all den anderen Teilen komplettiert, damit das Uhrwerk seine Arbeit aufnehmen kann.

Interessant, dass das Bremorieren in diesem Fall dem Sandstrahlen entspricht. Ich wusste noch, dass eine Uhr herzustellen so ein filigranes Handwerk ist. Ich denke ich hätte auch mal gerne eine richtig hochwertige Handgefertigte Uhr.

Vielen Dank für den Beitrag zur Platine im Uhrwerk. Mein Bruder schraubt gerne selbst und arbeitet mit Multilayer Leiterplatten. Gut zu wissen, dass Platinen für Uhren aus einfachen Messingbändern gestanzt werden.

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